Buttenturm Buttenturm
Quelle: Justiz NRW
Rathaus der Oberstadt Rathaus der Oberstadt
Vor dem Umbau Vor dem Umbau
Nach dem Umbau Nach dem Umbau
Sitzungssaal Sitzungssaal
Zelle Zelle
Vom Mittelalter bis teilweise ins 19. Jahrhundert gab es nicht nur im Gebiet von Nieder- und Obermarsberg, sondern auch in einigen der heutigen Ortsteile Gerichte. Eine Beschäftigung mit diesen Gerichten würde den hier vorhandenen Rahmen sprengen. Dieser Beitrag befasst sich daher nur mit dem Gebiet von Nieder- und Obermarsberg.

Seit dem 9. Jahrhundert wurde die rechtsprechende Gewalt sowohl im Gebiet des heutigen Obermarsberg als auch im später gegründeten heutigen Niedermarsberg - damals noch "villa Horhusen" genannt - durch die Abtei Corvey ausgeübt.

In einer Urkunde aus dem Jahre 1222 ist zum ersten Mal von einem Richter in der Oberstadt die Rede. Nachdem jeweils die Hälfte der Ober- und der Unterstadt an den Erzbischof und Kurfürsten von Köln verliehen worden waren, existierten in der Oberstadt städtische und kurfürstliche Gerichtsbarkeit nebeneinander, die teilweise durch denselben Richter ausgeübt wurden. Die Vollstreckung der verhängten Strafen lag in jedem Fall in den Händen der Stadt. Sie verfügte dazu über einen Galgen, einen heute noch erhaltenen Pranger oder Schandpfahl und mehrere Gefängnisse, auch im ebenfalls noch erhaltenen Buttenturm.

Daneben bestand spätestens seit dem 14. Jahrhundert ein Feme- und Freigericht in Horhusen, das neben dem Freigrafen als Vorsitzenden aus sieben Freischöffen bestand und das über Fälle der schweren Kriminalität entschied. Die Hälfte dieser Freigrafschaft wurde 1358 dem Magistrat der Oberstadt geschenkt. Hierdurch erhielt die Stadt das Recht, zusammen mit dem Abt von Corvey den Freigrafen und wohl auch die Schöffen zu wählen. Gleichzeitig stand ihr ein Anspruch auf die Hälfte der verhängten Geldstrafen zu, andererseits hatte sie aber auch die Hälfte der Kosten für die Bestätigung des neu ernannten Freigrafen durch den Kaiser zu tragen. Nach 1480 ist nicht mehr von einem Freigrafen in Marsberg die Rede.

Damit lag die Gerichtsbarkeit weiter beim Magistrat, ohne daß die Äbte von Corvey oder die Kurfürsten von Köln, die seit 1507 die Gewalt über ganz Marsberg hatten, hiergegen Einwendungen erhoben hätten. Diese Praxis änderte sich erst 1539, als sich die Zünfte unter Führung des damaligen Richters Drolshagen gegen den Magistrat erhoben und das Rathaus stürmen wollten. Der Richter wurde zum Tode verurteilt und enthauptet. Für die Zukunft wurde bestimmt, daß nunmehr der jeweilige Richter auf Vorschlag des Kurfürsten durch den Magistrat vereidigt werden sollte. Diese Vorgehensweise wurde aber nur beim unmittelbaren Nachfolger eingehalten. Danach wurden die jeweiligen Richter vom Rat gewählt und vom Landdrost des Kurfürsten bestätigt. Im Jahre 1606 erklärte der Richter, daß gewöhnliche Straftaten durch den Rat und nur besonders schwere und komplizierte Fälle durch ihn geahndet würden.

Im Jahre 1615 setzte der Kurfürst zur Bekämpfung der Reformation einen rein katholischen Magistrat und einen neuen Richter ein. Nach einer Reihe von Streitigkeiten kehrte die Stadt zum Verfahren von 1539 zurück, das aber diesmal genau eingehalten wurde. Da der Magistrat die Strafjustiz weiter für sich beanspruchte, kam es in den folgenden Jahrzehnten zu einer Reihe von Konflikten zwischen diesem auf der einen und den jeweiligen Richtern auf der anderen Seite. So brach 1619 der Richter in die Brauerei des Stifts in der Oberstadt ein, um anhand der dort vorhandenen Malzsäcke eine Bemessungsgrundlage für die Biersteuer zu finden. Im Jahre 1656 wurde im Rahmen dieser Streitigkeiten sogar der neue Kirchenstuhl des Richters zerstört. Weitere Unstimmigkeiten ergaben sich im Jahre 1663, als der Richter beim Schwarzbrennen erwischt wurde. Nach der Bestellung eines neuen Richters im Jahre 1703 verweigerte der Magistrat dem neu bestellten Richter zunächst den Zugang zum Rathaus, um die offizielle Ernennung soweit als möglich hinauszuzögern.

Nachdem 1802 das Kurfürstentum aufgehoben worden war und Marsberg an Hessen-Darmstadt gekommen war, verblieb die Gerichtsbarkeit zunächst bei der Oberstadt. Der Magistrat ließ deswegen 1804 einen von den Einwohnern der Unterstadt dort aufgestellten Pranger und ein ebenfalls dort errichtetes Drillhäuschen abreißen und 1805 einen neuen Galgen errichten, allerdings setzte die hessische Regierung ab 1808 einen Amtmann ein, der sich auch mit den Aufgaben der Rechtsprechung beschäftigte und folglich ab 1812 den Titel "Justizamtmann" führte. Am 11. Juni 1810 wurde endgültig das Ende der Magistratsgerichtsbarkeit verfügt.

Nach dem Wiener Kongress kam Marsberg 1815 an Preußen. Als 1822 eine Umorganisation der Justiz geplant war, wies der Magistrat ausdrücklich darauf hin, daß aus seiner Sicht der Standort des Gerichts im Rathaus der Oberstadt bleiben sollte. Er erklärte auch, dem neu zu errichtenden Land- und Stadtgericht das alte Rathaus ganz zur Verfügung zu stellen. Trotzdem drängte der damalige Justizamtmann auf eine zügige Verlegung seines Amtssitzes nach Niedermarsberg, da die räumlichen Verhältnisse in Obermarsberg unzureichend seien. Ein Versuch, die Aktenregistratur bei Nacht und Nebel nach Niedermarsberg zu verbringen, wurde nach Intervention der Oberstadt durch die Regierung unterbunden. Erst nachdem die Unterstadt angeboten hatte, das Gericht in das obere Stockwerk des 1822 errichteten Schulgebäudes zu verlegen, zog das Gericht am 14. April 1827 um sechs Uhr morgens nach Niedermarsberg um. Ob der hierfür eigens angeforderte Polizeischutz erforderlich war, ist nicht überliefert.

Nachdem 1838 festgelegt wurde, dass in Marsberg ein Land- und Stadtgericht verbleiben sollte, kam es zu einem erbitterten Streit zwischen Ober- und Niedermarsberg über den endgültigen Gerichtssitz. Obwohl der Magistrat der Oberstadt in einer Petition an den preußischen König vom 27. Juni 1840 unter anderem die Befürchtung äußerte, die Stadt werde im Falle der endgültigen Verlegung des Gerichtssitzes "gänzlich verarmen", während Niedermarsberg schon ein Kupferbergwerk, eine Irrenanstalt und einträglichen Ackerbau besitze, entschied sich die preußische Regierung dafür, den Gerichtssitz im verkehrsgünstiger gelegenen Niedermarsberg zu belassen. Nicht zuletzt durch diese Vorfälle soll die Bevölkerung Obermarsbergs gerüchteweise eine starke Abneigung gegen gerichtliche Vergleiche entwickelt haben.

Im Jahre 1844 wurde der Grundstein für das neue Gerichtsgebäude gelegt, das im September 1846 bezogen werden konnte. Das Amtsgericht Marsberg befindet sich bis zum heutigen Tage in diesem Gebäude, das als Beispiel für den zunächst schlichten preußischen Gerichtsbau - im Gegensatz zum betont prunkvollen und (Ehr-) Furcht einflößenden wilhelminischen Stil - mittlerweile unter Denkmalschutz steht. Zunächst befanden sich im Gerichtsgebäude noch vier Gefängniszellen und die Wohnung des Wachtmeisters, eine Zeit lang auch die Dienstwohnung des Amtsrichters. Hinter dem Gebäude lagen der Gefängnishof sowie der Gemüsegarten und der Stall für Ziegen, Schweine und Hühner des Wachtmeisters. Die größten Veränderungen ergaben sich ab Mitte der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts. Zunächst wurden die Gefängniszellen zu Büroräumen und der Gefängnishof zu einem Parkplatz umgebaut; eine Zelle für Vorführungen und ähnliche Anlässe befindet sich heute im Dachgeschoss des Gebäudes. Im Jahre 1960 wurde das Amtsgericht in südöstlicher Richtung durch einen Anbau verlängert, der kaum als solcher zu erkennen ist. Auch links der Eingangstür hatte das Gebäude ursprünglich nur drei Fenster pro Stockwerk!

In die Zeit des Neubaus fiel auch die Auflösung der letzten Patrimonialgerichte im heutigen Gerichtsbezirk, nämlich Padberg am 01. Januar 1846 und Canstein am 04. Mai 1848. Am 01. April 1849 wurde das Land- und Stadtgericht aufgehoben und eine "Gerichts-Commission" des Kreisgerichts Brilon eingesetzt. Gleichzeitig fielen die Bezirke Giershagen (bis 1879), Beringhausen (bis 1975) und Madfeld (bis heute) an das Gericht in Brilon. Entscheidend geprägt wurde die Marsberger Gerichtsbarkeit im 19. Jahrhundert von Johann Wilhelm Fischer (1812-1896), der von 1842 bis 1886 am hiesigen Gericht tätig war. Für seine Verdienste insbesondere um die Forschung zur Geschichte des Marsberger Raumes wurde ihm anläßlich seines Ausscheidens aus dem Dienst die Ehrenbürgerwürde der Stadt Obermarsberg verliehen.

Der Bezirk des Amtsgerichts Marsberg, das diesen Namen seit Inkrafttreten der Reichsjustizgesetze 1879 trägt, änderte sich laufend. Zuerst bestand er aus dem Stadtbezirk Ober-Marsberg und dem Amt Nieder-Marsberg außer den Gemeindebezirken Beringhausen, Helminghausen und Padberg im damaligen Kreis Brilon. Nach der Auflösung des Amtsgerichts Fürstenberg am 01. Oktober 1932 kamen die Gemeinden Essentho, Meerhof und Oesdorf hinzu, am 01. Januar 1933 auch Westheim, das zuvor zum Bezirk des Amtsgerichts Warburg gehört hatte. Mit dem Inkrafttreten des Sauerland-Paderborn-Gesetzes 1975 kamen schließlich auch Beringhausen, Helminghausen und Padberg aus dem Bezirk des Amtsgerichts Brilon an das Amtsgericht Marsberg. Das Amtsgericht Brilon hatte vorher regelmäßig Gerichtstage in Beringhausen abgehalten.

Das Amtsgericht Marsberg gehört seit 1879 zum Bezirk des Landgerichts Arnsberg. Im Zuge der zum 01. Oktober 1934 geplanten Auflösung des Landgerichts Arnsberg sollte es dem Landgerichtsbezirk Paderborn zugeteilt werden, das Gesetz wurde aber noch vor seinem Inkrafttreten aufgehoben.

Die erste (gebrauchte) Schreibmaschine erhielt das Gericht 1928 von der Staatsanwaltschaft Arnsberg. Die erste weibliche Arbeitskraft wurde Mitte der 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts eingestellt.

Quellen:
Schmidt H., Berichte und Quellen zur Geschichte des Amtes Niedermarsberg, Niedermarsberg 1967,
Stadelmaier R., Beiträge zur Geschichte Marsbergs, hrsg. von Klüppel H. und Schmidt H., Niedermarsberg 1970,
Bödger J., Marsberg 96 - Ereignisse und Erinnerungen, Marsberg 1997,
Stadt Marsberg (Hrsg.), Marsberg - Geschichte einer Stadt im Sauerland, 9. A, Marsberg 2002